Der Feind im eigenen Kopf: Wenn Dich Perfektionismus blockiert

6 Min.
04.10.2023

Es ist nicht ungewöhnlich, hohe Standards für sich selbst zu setzen. Viele von uns haben den inneren Drang, das Beste aus sich herauszuholen und hervorragende Ergebnisse zu erzielen. Aber was passiert, wenn dieser Ehrgeiz sich gegen uns wendet? Was, wenn unser Streben nach Perfektionismus uns blockiert und uns hindert, unsere Ziele zu erreichen? Alles über mögliche Herausforderungen, Vor- und Nachteile sowie passende Lösungsansätze findest Du in diesem Blog-Artikel.

(Bildquelle: Canva)

Perfektionismus am Arbeitsplatz: eine zweischneidige Klinge

Die moderne Arbeitswelt belohnt oft Perfektionismus. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die ständig nach Exzellenz streben, die jedes Detail beachten und keine Fehler machen wollen, sind oft die ersten, die Anerkennung und Beförderungen erhalten. Vorgesetzte sehen sie als verlässlich und engagiert an. Hier ein Beispiel:

 

Die perfekte Vertriebsstrategie: Maximilians Triumph

Maximilian arbeitet seit Jahren als Vertriebsmitarbeiter in einem renommierten Softwareunternehmen. Das Marktumfeld ist wettbewerbsintensiv, und die Erwartungen an die Vertriebsteams sind hoch. Während viele seiner KollegInnen versuchen, durch Quantität – also durch eine hohe Anzahl von Kundenkontakten und -präsentationen – zum Erfolg zu kommen, verfolgt Maximilian einen anderen Ansatz.

Sein hoher Eigenanspruch und sein Perfektionismus treiben ihn dazu an, für jeden potenziellen Kunden eine maßgeschneiderte Vertriebsstrategie zu entwickeln. Er investiert Zeit in die gründliche Recherche der Kundenanforderungen, der Organisationsstruktur und der Geschäftsziele. Seine Präsentationen sind nicht nur auf das Produkt zugeschnitten, sondern auch auf die spezifischen Bedürfnisse und Herausforderungen des jeweiligen Unternehmens auf der Kundenseite.

Anstatt zehn standardisierte Präsentationen pro Woche zu halten, hält Maximilian nur drei. Aber diese drei sind spektakulär gut. Sie sind präzise, relevant und zeigen dem Kunden oder der Kundin genau, wie die Softwarelösung die spezifischen Probleme lösen kann. Das Ergebnis? Maximilians Abschlussrate ist beeindruckend. Während seine KollegInnen oft erst nach mehreren Follow-ups und zusätzlichen Rabattangeboten einen Verkauf abschließen können, überzeugt Maximilians maßgeschneiderter und perfektionistischer Ansatz die KundInnen oft bereits beim ersten Meeting.

In diesem Szenario zeigt sich, dass Perfektionismus und ein hoher Eigenanspruch in der Arbeitswelt nicht nur zu hochwertiger Arbeit führen, sondern auch zu deutlich effizienteren und überzeugenderen Ergebnissen. Maximilians Ansatz, weniger, aber gezielter zu arbeiten, hebt ihn von der Masse ab und macht ihn zu einem Top-Verkäufer in seinem Unternehmen.

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Dennoch kann dieser Drang, alles perfekt machen zu wollen, bei manchen zu erheblichem Stress führen. Ständiges Überarbeiten, Angst vor Fehlern, die andauernde Selbstkritik und dadurch bedingter Schlafmangel können zu Burnout, Depressionen und anderen gesundheitlichen Problemen führen. Hier einige negative Bespiele aus Maximilians Umfeld:

  1. Der Projektbericht, der niemals endet:
    Emma ist Projektleiterin und muss einen Abschlussbericht über den jüngsten Projekterfolg verfassen. Obwohl sie alle relevanten Daten und Fakten gesammelt hat und der Bericht sachlich korrekt ist, verbringt sie Nächte damit, jeden einzelnen Satz umzuformulieren, Diagramme mehrfach neu zu gestalten und sogar die Fußnoten immer wieder zu überprüfen. Ihr ständiger Drang nach Perfektion lässt sie kleinste Details in den Vordergrund rücken, was den Abschluss des Berichts verzögert und sie körperlich und geistig erschöpft.

  2. Die ständige Überarbeitung einer Präsentation:
    Markus bereitet eine Präsentation für eine wichtige Kundenbesprechung vor. Trotz positivem Feedbacks von KollegInnen und Vorgesetzten, kann er sich nicht davon überzeugen, dass die Präsentation gut genug ist. Er überarbeitet die Slides wieder und wieder, ändert Farbschemata, Schriftgrößen und Formulierungen. Diese ständige Überarbeitung führt nicht nur zu zusätzlichen Arbeitsstunden, sondern auch zu vermehrtem Stress und Unsicherheit über die Qualität seiner Arbeit.

  3. Die unendliche Suche nach Fehlern:
    Sophia ist Softwareentwicklerin und hat die Aufgabe, einen Code für ein neues Feature zu schreiben. Auch nachdem alle Tests erfolgreich waren und keine weiteren Fehler gefunden wurden, verbringt sie zusätzliche Stunden mit der Suche nach möglichen, bisher unentdeckten Fehlern, anstatt den Code freizugeben. Ihr übertriebener Eigenanspruch und die Angst vor Kritik lassen sie zweifeln, ob ihr Code tatsächlich „perfekt“ ist, was den Entwicklungsprozess verlangsamt und die Einführung des neuen Features verzögert.

Jedes dieser Beispiele zeigt sehr gut, wie ein zu hoher Eigenanspruch und Perfektionismus in der Arbeitswelt nicht nur die Effizienz und Produktivität beeinträchtigen, sondern auch das Wohlbefinden und die Zufriedenheit des Einzelnen gefährden.

 

Vor- und Nachteile von Perfektionismus im Überblick

Perfektionismus ist ein zweischneidiges Schwert. Während er uns dazu antreibt, Höchstleistungen zu erzielen und Arbeit von bester Qualität zu produzieren, kann er uns auch in eine Spirale des Selbstzweifels und der ständigen Selbstkritik führen. Dieses Streben nach Perfektion kann sowohl produktive als auch destruktive Ergebnisse hervorbringen. Um besser zu verstehen, wie Perfektionismus unsere berufliche und persönliche Entwicklung beeinflussen kann, schauen wir uns sowohl die positiven als auch die negativen Aspekte dieses Charakterzugs an.

Vorteile:

  • Hohes Qualitätsniveau: PerfektionistInnen neigen dazu, Arbeit von höchster Qualität zu produzieren.

  • Detailorientierung: Sie achten auf die kleinsten Einzelheiten, was in vielen Branchen wichtig ist.

  • Motivation und Ausdauer: PerfektionistInnen sind oft extrem motiviert und zielorientiert. Diese unermüdliche Antriebskraft kann sie dazu veranlassen, auch bei komplexen oder herausfordernden Aufgaben dranzubleiben, bis sie eine Lösung oder ein gewünschtes Ergebnis erreicht haben.


Nachteile:

  • Zögern und Verzögerung: Die Angst vor Fehlern kann dazu führen, dass PerfektionistInnen Aufgaben aufschieben oder nicht abschließen.

  • Selbstkritik: Zu viel Selbstkritik kann das eigene Selbstwertgefühl untergraben.

  • Gesundheitliche Probleme: Chronischer Stress kann zu einer Vielzahl von gesundheitlichen Beschwerden führen, von Schlaflosigkeit bis zu ernsteren psychischen Gesundheitsproblemen.

 

Woran ich erkenne, wenn mich mein Perfektionismus blockiert oder mir schadet

Ein zu hoher Eigenanspruch und übermäßiger Perfektionismus können in vielen Lebensbereichen auftreten und sich durch verschiedene Anzeichen manifestieren. Hier sind einige Hinweise, die darauf hindeuten können, dass Dein Perfektionismus Dich möglicherweise blockiert:

  1. Ständige Selbstkritik: Du konzentrierst dich hauptsächlich auf deine Fehler und Schwächen, auch wenn du viel richtig gemacht hast.

  2. Prokrastination: Aus Angst, eine Aufgabe nicht perfekt zu erfüllen, schiebst du diese immer wieder auf.

  3. Unzufriedenheit mit erzielten Erfolgen: Selbst, wenn du deine Ziele erreichst oder gelobt wirst, fühlt es sich nicht „gut genug“ an.

  4. Überarbeitung: Du wiederholst und überprüfst deine Arbeit ständig, selbst wenn sie bereits von hoher Qualität ist.

  5. Angst vor Versagen: Diese Angst ist so lähmend, dass sie dich daran hindern kann, überhaupt erst anzufangen.

  6. Schwierigkeiten, Aufgaben abzuschließen: Selbst, wenn du nah am Ziel bist, findest du immer noch Dinge, die „korrigiert“ werden müssen.

  7. Unverhältnismäßig viel Zeit für Aufgaben aufwenden: Du investierst in eine Aufgabe mehr Zeit als notwendig oder als von anderen erwartet.

  8. Schwierigkeiten, Kritik anzunehmen: Selbst konstruktive Kritik wird als Bedrohung oder als Bestätigung des eigenen Versagens wahrgenommen.

  9. Angst vor Kritik: Du vermeidest es, deine Arbeit anderen zu zeigen oder Feedback einzuholen, aus Angst vor negativem Urteil.

  10. Schwarzes oder weißes Denken: Entweder ist etwas perfekt oder ein komplettes Versagen; es gibt kein "in-between" oder eine Grauzone.

  11. Unflexibilität: Ein strenger und unveränderlicher Ansatz für Aufgaben, ohne Raum für Anpassungen oder Änderungen.

  12. Vermeidung von neuen Herausforderungen: Aus Angst, nicht perfekt zu sein oder zu scheitern, vermeidest du neue Projekte oder Herausforderungen.

 

Wenn du mehrere dieser Anzeichen bei dir selbst erkennst, könnte es hilfreich sein, dich mit professioneller Unterstützung, der Hilfe von KollegInnen oder durch Selbsthilfemethoden mit deinem Perfektionismus auseinanderzusetzen. Es ist wichtig zu verstehen, dass ein gewisser Grad an Perfektionismus förderlich sein kann, aber wenn er dein Wohlbefinden und deine Produktivität beeinträchtigt, ist es an der Zeit, daran zu arbeiten.

 

Das gesunde Mittelmaß finden

Das Erkennen des eigenen Perfektionismus ist der erste Schritt, um ein gesundes Gleichgewicht zu finden. Es ist wichtig, die eigene Tendenz zur Selbstkritik und den Drang nach Perfektion zu erkennen und Methoden zu entwickeln, um effektiv damit umzugehen. Hier sind einige wissenschaftlich fundierte Methoden, um das Streben nach Perfektion in den Griff zu bekommen:

  1. Kognitive Umstrukturierung: 
    Dieser Ansatz, der aus der kognitiven Verhaltenstherapie stammt, konzentriert sich auf das Erkennen und Umwandeln von schädlichen Denkmustern, die den Perfektionismus fördern. Oftmals interpretieren PerfektionistInnen Situationen oder Ergebnisse negativ, auch wenn dies objektiv nicht gerechtfertigt ist. Durch die kognitive Umstrukturierung lernen Individuen, ihre Denkweisen zu hinterfragen und alternative, positivere Interpretationen zu entwickeln.

  2. Selbstmitgefühl praktizieren: 
    Anstatt sich selbst für vermeintliche Fehler oder Mängel zu kritisieren, ist es wichtig, Selbstmitgefühl zu kultivieren. Studien haben gezeigt, dass ein mitfühlender Umgang mit sich selbst nicht nur den emotionalen Stress reduziert, sondern auch den Druck mindert, immer perfekt sein zu müssen. Denke daran, dass Fehler und Unvollkommenheiten Teil des menschlichen Daseins sind und behandle dich selbst in schwierigen Zeiten mit Güte und Verständnis, so wie du es bei einem guten Freund tun würdest.

  3. Realistische Zielsetzung: 
    Die Erwartungen, die man an sich selbst stellt, sollten immer realistisch und erreichbar sein. Ständig unerreichbare Standards zu setzen, führt nur zu Frustration und Enttäuschung. Es ist wichtig zu akzeptieren, dass Fehler passieren und dass man nicht in allem perfekt sein muss. Indem du realistische Ziele setzt, gibst du dir selbst die Chance, Erfolge zu feiern und gleichzeitig aus Misserfolgen zu lernen.

  4. Achtsamkeit und Meditation: 
    Achtsamkeitspraktiken, wie Meditation, können dabei helfen, das gegenwärtige Moment zu schätzen, ohne ständig nach Perfektion zu streben. Durch regelmäßige Meditation lernst du, deinen Gedanken und Gefühlen ohne Urteil zu begegnen, was den Druck mindert, ständig perfekte Ergebnisse liefern zu müssen. Achtsamkeit lehrt uns, im Hier und Jetzt zu sein und die Dinge so zu akzeptieren, wie sie sind, anstatt ständig nach mehr oder besser zu streben.

  5. Zeitmanagement und Priorisierung:
    Indem du deine Aufgaben und Projekte nach Wichtigkeit und Dringlichkeit priorisierst, kannst du besser entscheiden, wo deine Energie und Zeit am besten investiert werden. Nicht alles erfordert den gleichen Grad an Perfektion. Manchmal ist „gut genug“ vollkommen ausreichend und die effizienteste Herangehensweise. Lese hierzu auch folgende Blog-Artikel: 

    1. Mit der Pomodoro-Technik zum erfolgreichen Zeitmanagement?

    2. Effizienter und stressfreier: Getting Things Done – die Kunst der Produktivität

    3. Das Pareto-Prinzip – Wenn weniger definitiv mehr ist

  6. Feedback suchen:
    Sprich mit KollegInnen, Freunden oder einer/einem Therapeutin/Therapeuten über deinen Perfektionismus. Manchmal benötigen wir den Blick von außen, um zu erkennen, wann unser Streben nach Perfektionismus hilfreich und wann es schädlich ist.

 

Fazit

Perfektionismus am Arbeitsplatz kann sowohl ein Segen als auch ein Fluch sein. Während er uns dazu anspornt, außergewöhnliche Arbeit zu leisten und uns von der Masse abzuheben, kann er auch zu Burnout, Selbstzweifeln und gesundheitlichen Problemen führen, wenn er unkontrolliert bleibt. Es ist wichtig, das richtige Maß an Perfektionismus in unserem Arbeits- und Privatleben zu finden. Ein gesundes Gleichgewicht zwischen Bestreben nach Exzellenz und Selbstfürsorge kann uns helfen, unser volles Potenzial zu erreichen, ohne dabei unser Wohlbefinden zu gefährden. Erinnere dich, dass wir alle menschlich sind, und Perfektion nicht das ultimative Ziel sein sollte. Es geht vielmehr darum, unser Bestes zu geben, zu lernen, zu wachsen und die Reise zu genießen.

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